2022-09-19

50 Jahre UFE - Beinahe ein ganzes Leben Teil 14

14_1987_Programm.jpgDie Entwicklung unserer Tanzgruppe geht steil nach oben und zwar so rasant, dass ich gar nicht weiß, wo ich anfangen soll und wie so eins ins andere gegriffen hat. Vielleicht machen wir zwei Zeitrechnungen auf: Eine Vor- und eine Nach-Márti Zeit.
Auch in der Vor-Márti Zeit waren wir schon international unterwegs. Wer damals welche Strippen gezogen hat – ich weiß es nicht mehr. Jedenfalls kamen wir zum „Ball der Nationen“ in die Stuttgarter Liederhalle und trafen dort auf Tanzgruppen, mit denen wir auf einer Wellenlänge waren. Als da waren: „Spanier“, „Ukrainer“ und „Schotten“. Und zusammen mit der Reutlinger Tanzgruppe hoben wir eine internationale Auftrittsreihe, die „Folklorade“ aus der Taufe. Es lief nicht ganz so, wie wir es uns gewünscht hätten. Immerhin haben wir aberzwei Auftrittsreihen durchgezogen und die Sache anschließend unter der Rubrik „Erfahrung sammeln“ abgelegt.
Dann kam Márti und, wie ihr wisst, eine totale Neuausrichtung unseres Tanzprogramms. Sogar Péter, der anfangs total skeptisch war ob der Tatsache, dass eine deutsche Tanzgruppe ungarisch tanzen will, hatte Feuer gefangen. Er, der Profi, sah in uns Potentiale, die für uns noch weit im Verborgenen schlummerten. Also stellten Márti und er uns für die nächsten 5 Jahre einen regelrechten Lehrgangsplan auf und peitschten in dieser Zeit sechs neue Tänze bis zur Auftrittsreife durch. (Domaházi, Stock- und Flaschentanz, Délalföldi, Dúnantúli und Szatmári). Wir hatten gut zu tun! Nicht zu vergessen, die Tänze, die wir schon hatten, sowie das ungarndeutsche Repertoire, das ab und zu ebenso einer Neuauflage bedurfte. Schließlich hatten wir mittlerweile 25 bis 30 Auftritte im Jahr zu bestreiten.
Wir Tanzleiter waren zu dieser Zeit sicher nicht immer „Everybody’s Darling“, wenn wir die Truppe triezten, kräftiger zu stampfen, die Beine höher zu heben, schneller zu drehen, lauter zu singen und dazu auch noch freundlich gucken. Das Ganze wiederholen und wiederholen, so lange, bis es auch auf der Bühne automatisch abgerufen werden konnte. Es war nicht immer einfach, aber der Erfolg gab uns recht und hat uns in immer größere Höhen getragen.
Haken wir jetzt im Jahr 1987 ein.
Zunächst änderten wir unseren Gruppennamen von Landestanz- und Trachtengruppe der Deutschen aus Ungarn in Ungarndeutsches Folklore-Ensemble, damit fühlten wir uns deutlich besser vertreten. Und dann fuhren wir mal wieder zweigleisig:
Mittlerweile waren wir ein bisschen zum städtischen Aushängeschild avanciert. Zu dieser Zeit streckte die Wernauer Verwaltung ihre Fühler nach Ungarn aus auf der Suche nach einer Partnerstadt. Mit ein Grund für diese Wahl war die große Zahl der ungarndeutschen Vertriebenen in Wernau, (nicht umsonst gab es eine „Paprikasiedlung“) die auch noch Kontakte nach Ungarn hatten und natürlich wir als Bindeglied. Wir hatten für dieses Jahr eine Einladung nach Keszhely am Plattensee und luden BM Roger Kehle, Vertreter der Stadtverwaltung und des Gemeinderates ein, uns zu begleiten um sich ein eigenes Bild von Ungarn und den möglichen Partnerstädten zu machen. Dazu erweiterten wir unsere Reise um einen Aufenthalt und einen großen Auftritt in Újpetre, einem der Heimatdörfer unserer Eltern. Von dort aus erfolgte eine erste Kontaktaufnahme mit Bonyhád. Unser Programm ergänzten wir mit deutschen Volksliedern („Horch, was kommt von draußen rein…“) – ein Hoch auf die Vielseitigkeit – und hatten außerdem noch Rüdiger und zwei weitere Musikanten im Gepäck. Die Fahrt war grandios und erfolgreich, zeigte sie doch Ungarn abseits der offiziellen Verwaltungswege und offenbarte die unendliche Gastfreundschaft der Menschen. Lange Rede…. 1989 wurde die Städtepartnerschaft mit Bonyhád unterzeichnet.
Auf dem zweiten Gleis kamen Márti und Péter mit dem Plan um die Ecke, unser gesamtes Tanzprogramm zu bündeln und in Begleitung einer ungarischen Volksmusikkapelle in einem 2-stündigen Programm auf die Bühne zu bringen. Puhaa! Jetzt bekamen wir Schweißausbrüche aber auch Sternchen in den Augen. Péter machte uns den Mund derart wässrig mit einem fertigen Plan, dass wir schließlich das Abenteuer wagten. Das war ein Ausflug in die Welt der Profis. Strengste Disziplin schon in der Vorbereitung (Beine gleich hoch, Kopf gerade, lächeln…), exakte Trachtenverteilung, sowie eine genaue Zuordnung der „Umziehhilfen“. Péter stand an der Generalprobe mit der Stoppuhr da und korrigierte die Wege von der Bühne zur Garderobe. Wir hatten z.T. nur ein Musikstück Zeit, um uns komplett zum nächsten Tanz umzuziehen. Die Trachten waren teilweise hinter der Bühne in der richtigen Reihenfolge geschichtet, der Helfer/die Helferinnen standen bereit. Die Musiker von Méta hatten vorab unsere Tanzmusik bekommen und spielten live zu unseren Tänzen – ein völlig neues Tanzgefühl! Und dann ging’s los. Die Stadthalle war brechend voll, wir tanzten uns die Seele aus dem Leib und ernteten stehenden Applaus. Es war ein unbeschreibliches Glücksgefühl, Márti und Péter platzten vor Stolz. Wir wiederholten die Vorstellung noch in der Stuttgarter Merz-Schule, sowie in Ostfildern.
Das war der erste Ausflug ins Profilager, aber nicht der letzte.
Fortsetzung folgt.

Bis dahin
Eure Babs

J H - 18:38 @ 50 Jahre