2021-10-03

50 Jahre – fast ein ganzes Leben – mein Leben

1974_April_ungTrachtBabsMark-3.jpgTeil 3

Weiter geht’s!
Wir bewegen uns immer noch in den Jahren 1972/73.
Inzwischen hatten wir 3 Tanzgruppen: A-, B- und C-Gruppe, jeweils altersmäßig abgestuft und waren schätzungsweise insgesamt ca. 50 Tänzerinnen und Tänzer – könnten auch mehr gewesen sein. Wir haben kräftig die Werbetrommel gerührt und im gesamten Freundeskreis vor allem die Jungs bequatscht (heute heißt das Netzwerk) frei nach der Devise: „Wer geradeaus laufen kann, kann auch tanzen“. Bei uns hat jeder seinen Platz gefunden.
Jetzt nahm auch das internationale Programm Fahrt auf und das ging so:
Hartwig war inzwischen Tanzleiter und fuhr regelmäßig zu Albert nach Reutlingen ins Training (er hatte schon ein eigenes Auto). Die beiden bastelten dann die ersten rumänischen, jugoslawischen und russischen Tänze. Die Musik kam von Schallplatten!!, die auf Tonband aufgenommen wurde – das ist ein Gerät mit 2 Spulen und einem Band und wenn sich’s dreht und richtig eingefädelt ist, kommt Musik raus! Das war noch technische Steinzeit!! Wir hatten kein Handy, keinen Computer, weder CD noch Kassettenrecorder geschweige denn Videos. Das Internet war noch nicht erfunden und es gab nur ein Telefon pro Familie. Von wegen stundenlang telefonieren, das hat richtig Geld gekostet.
Hartwig brachte also die Tänze in Form von Musik und Papieraufschrieben mit ins Training. Leider war er halt ein Mann und kein so begnadetes Mädchen – das ging auf Dauer nicht gut - wir mussten selber paarweise Lehrgänge besuchen und choreografieren, genügend Talente hatten wir.
Bei den internationalen Volkstanzschallplatten waren Tanzbeschreibungen dabei, da kämpften wir uns durch, was aber war mit Musik und Tanz aus Ungarn,1974_ungTrachtGarten.jpg schließlich führten wir das in unserem Namen?
Die DJO – Deutsche Jugend in Europa bot im Januar 1974 einen mehrtägigen Lehrgang mit Ernö Pesovár, dem Leiter eines der großen ungarischen Tanzensembles an. Für uns eine Punktlandung. Wer damals alles dabei war, habe ich ausgeblendet. Zurück blieb der schlimmste Muskelkater meines Lebens. Den Weg vom Zimmer zum Trainingssaal über zwei Stockwerke habe ich rutschenderweise übers Treppengeländer bewältigt. Wer sich das nicht traute, kroch rückwärts die Stufen runter. Es war die Hölle!! Aber erfolgreich!
Wir erhielten eine gute Grundlage ungarischer Schritte, Figuren und Musik so à la Csárdásfürstin oder Zigeunerbaron, noch weit weg vom heutigen Volkstanzprogramm, aber immerhin konnten wir loslegen – die Zeiten waren halt so.
Jetzt ging es wieder mal Schlag auf Schlag.1974_ungTrachtAliBabs.jpg
Die Tänze hatten wir, was fehlte waren Trachten. Wo holt man Infos dazu her? Aus Büchern, von Eltern und direkt aus Ungarn, dann ging’s los:
•Einkaufsfahrten nach Budapest inclusive Schweißausbrüchen und Herzrasen bei den jeweiligen Grenzkontrollen.
•Nähaufträge für „Reiterhosen“ (ein Landsmann war Schneider), kurze und lange Unterröcke, Schürzen und diverse Kleinigkeiten.
•Suche nach passendem Schuhwerk
An dieser Stelle ein Riesendankeschön an unsere Eltern, die uns qm²-weise alte weiße Leintücher überließen bzw. gleich verarbeiteten – so viel wie möglich wurde selbst gemacht, die Nähmaschinen glühten.
Parallel dazu schwirrte die Idee einer eigenen Veranstaltung durch unsere Köpfe, wir wollten ja auch zeigen, was wir konnten.Ich weiß nicht, wer uns damals alles für verrückt erklärt hat, wir haben es trotzdem gemacht.1975_Frhlingsballplakat.jpg
Im April 1974 war es soweit: die Landestanz-und Trachtengruppe der Deutschen aus Ungarn – kurz LTTGDU – lud zum „Folklore-Abend international“ in die Stadthalle Wernau ein – und alle kamen! Wir hatten neue Tänze, neue Trachten und zeigten mit unseren drei Gruppen eine neue Art, Volkstanz und Folklore miteinander zu verbinden.
Das Publikum war begeistert und wir stolz wie „Bolle“. Wir hatten es aus eigener Kraft geschafft, etwas Neues zu kreieren: Mit internationalen Tänzen den Spaß und die Herausforderung des Tanzes zu haben und gleichzeitig mit deutschen Tänzen und Trachten die Tradition zu bewahren und zu pflegen.
Im Jahr darauf hoben wir den „Frühlingsball“ aus der Taufe, der in den folgenden 20 Jahren zur Traditionsveranstaltung in Wernau und Umgebung werden sollte.

Aber dazu später mehr. Bis dahin bleibt gespannt.
Eure Babs

J H - 12:18 @ 50 Jahre